Ich habe gut geschlafen, die Freundin wurde nachts dreimal vom Service geweckt, hatte aber keinen Weckruf bestellt. Dem entsprechend ist die Gemütslage beim Frühstück diametral zum gestrigen Nachmittag. Die Mietwagenfirma ist ganz in der Nähe, aber zwischen hier und dort liegt ein Park in einem uralten Kraterloch, das bedeutet erst runter und dann rauf. Deshalb lieber per Taxi. Die Verleiher (Go Rentals) sind freundlich, lassen mich per App neun Fragen zum neuseeländischen Straßenverkehr beantworten (ja, wir wissen, dass links gefahren wird) und übergeben das Auto. Sehr klein und sehr blau, aber vier Türen und Heckklappe - passt. Das Navi kann Deutsch und erweist sich schon bei der Fahrt aus Auckland heraus als hilfreich. Geplant ist ein Abstecher auf die Coromandel-Halbinsel, weniger wegen der schönen Strände und der bizarren Felsformationen, sondern wegen einer Attraktion der besonderen Art. Aber schon die Fahrt von Thames nach Coromandel lohnt sich. Links der Straße, stellenweise nach den Winterstürmen schon am Asphalt nagend, erstreckt sich der Firth of Thames, rechts abwechselnd Felsen, Urwald und nur wenige kleine Ortschaften samt Weideland.
Unbedingt sehenswert! Zu sagen, Barry Brickell habe in seinem 80jährigen Leben drei Visionen verwirklicht, griffe viel zu kurz. Vor allem konnte wohl er Menschen begeistern und Behörden überzeugen, denn abgesehen von vielen anderen Interessen und Fähigkeiten modellierte er neben anderen Kunstwerken (Groß-)Keramiken, die er - nicht immer zur Freude der Nachbarn - in selbst gebauten Öfen brannte. Er stellte auf einem großen Areal die ursprüngliche Vegetation wieder her und schützte dort die heimische Tierwelt vor eingeschleppten Fressfeinden. Daneben baute er ein weitverzweigtes Schienennetz für eine Schmalspurbahn. Was zunächst der eigenen Bequemlichkeit und dem Spaß mit Freunden diente, ist heute ein touristisches Ziel, ohne durch übermäßige Perfektion den Charme der Gründerjahre verloren zu haben.
Eine Fahrt mit der Driving Creek Railway führt durch Farn- und Kauriwälder, über Indianer-Jones-Brücken, vorbei an allerlei Hinguckern bis zu Aussichtspunkten und einem Aussichtsturm. Mal zieht der Dieselmotor das Railcart, mal schiebt er. Eine genial einfache Klappbank-Konstruktion sorgt dafür, dass alle Passagiere immer in Fahrtrichtung sitzen. Es gibt so viel zu sehen, dass man trotz langsamer Fahrt nicht alles erfassen kann. Gut, dass wir zu zweit sind.
Gut, dass wir auch beim abschließenden Toilettenbesuch zu zweit sind, denn die verwitterten Holzhüttchen haben (Reminiszenz an Barrys alte Hippiezeiten?) kein Schloss.
Übernachtung in Thames, Sunset Motel: Zwei Ferienhäuser, eher sommerlich, denn die Lamellenfenster lassen sich z. T nicht komplett schließen. Aber es gibt Heizdecken im Bett, reichlich Kaffeepulver und sogar ein kleines Päckchen Milch im Kühlschrak. Dieser ungewohnte Service stellt sich im Laufe der Reise als neuseeländischer Standard heraus.
Das Grahamstown Bar & Diner sieht gemütlich aus, hat jedoch Festgäste und lange Wartezeiten. Deshalb zum Abendessen ins Thai Nakontong, Menü für zwei, viele kleine Schüsseln und haufenweise Reis. Lecker und sättigend.
Frühstück im Grahamstown Coffee Shack, sehr gesundes Müsli mit gedörrten Haferflocken, ich spüre jeden Kaumuskel. Marktbummel: Alles selbst erzeugt, vom Ei bis zur Strickmütze. Kleine Stände längs der Hauptstraße (Pollen Street, Sa 8 - 12). Neugier befriedigt: Grahamstown ist der alte Ortskern der Stadt Thames.
Stopp bei "NZ's most popular Farm Attraction", der Bullswool Heritage Farm. Abenteuerliche Zufahrt, Parkplatz nur für uns. Im Gebäude taucht ein Junge auf, sammelt jeweils 18 NZD ein, drückt uns einen (!) Prospekt in die Hand, deutet auf eine Tür und verschwindet. Hinter der Tür kleine Wiese mit Ställen. Zwei verfrorene Schau-Kaninchen starren vorwurfsvoll mümmelnd auf ihre verschlossene Stalltür, andere Bewohner sind nicht zu sehen. Das beworbene Kauri-Museum entpuppt sich als Sägensammlung, zwei Holzschuppen präsentieren allerlei altes Handwerkszeug samt Rasenmäher und ein Plastikpferd-Vorderteil samt Strick, Balken und Festmachanleitung. Zwei weitere Schuppen beherbergen ein Sammelsurium von Honda-Zweirad-Zubehör sowie alles, was man zum Angeln brauchen kann. Auf einer weiteren Freifläche begrüßen uns hübsche Gänse, hinter Draht produziert sich ein schwarzer Hahn. Die ausgeschilderten Wanderwege sind wegen schlechtem Wetter gesperrt, eine sich erfüllende Prophezeiung, denn aus einer eher hellgrauen und löchrigen Wolkendecke stürzt plötzlich eine Menge Wasser. Abfahrt nach Hamilton.