Die Südspitze der Nordinsel gilt als eines der ersten Maori-Landungsgebiete. Anhand von eingeschleppten Rattenknochen (!) wird die Besiedelung auf die Zeit nach 1280 datiert.
Heute ist die Hauptstadt von Neuseeland eine wilde Mischung von Chillen am Hafen und Hektik im Geschäftsviertel, von alten und neuen Gebäuden, Wolkenkratzern und Reihenhaus-Siedlung. Nach einem schmalen Küstenstreifen steigt das Gelände nach Westen stark an, betritt man z. B. unser Erst-Übernachtungshotel (Travellodge) von der Hangseite, befindet man sich zum Meer hin im dritten Stock.
Auch Wellington ist erdbebengefährdet, der Versuch, Gebäude widerstandsfähig(er) zu machen, überall sichtbar. Der Beiname "Windy City" verweist auf häufig auftretende Stürme und starke Fallwinde. Wir erwischen Schönwetter.
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Neben dem bedeutenden Wirtschaftsstandort hat sich die Stadt zu einem angesagten Kulturzentrum entwickelt. Dazu gehören Museen, Theater, Programmkinos, Ateliers und Galerien, Festivals und Veranstaltungen. Auffällig viele junge Leute (zwei Universitäten und mehrere Fachschulen!) bevölkern Straßen und Parks.
Parken ist schwierig in Wellington, sowohl auf den breiten, aber vielbefahrenen Küstenstraßen als auch in den engeren Sträßchen parallel zum Hang oder steil gegen den Hang. Wir haben deshalb beide Hotels danach ausgesucht, ob sie einen Parkplatz zur Verfügung stellen und sind zu unseren Besichtigungs-touren zu Fuß aufgebrochen.
Das am Hafen gelegene Nationalmuseum verfügt jedoch über eine eigene große und verhältnismäßig preiswerte Tiefgarage und ist deshalb unser erstes Ziel. Es bietet Infos, Filme und Animationen zur Natur-, Maori- und Einwanderungsgeschichte. Einiges erscheint uns allzu bekannt, weil bestimmte Themen auch in anderen Ausstellungen ähnlich aufbereitet wurden. Einiges wirkt noch unstrukturiert, als sei man sich doch nicht sicher, ob die Landesgeschichte sich wirklich so sauber in die vier Teilbereiche menschenlose Natur, erste und zweite Einwanderungswelle sowie gemeinsame Zukunft aufteilen lässt.
Mir hat am besten der nicht nur für Kinder (Swing Bridge) konzipierte Außenbereich mit vielen geologischen und naturhistorischen Modellen und einfachen Erklärungen gefallen. Außerdem mit tollem Blick auf Hafen und Stadt.
In einem großen Bogen wandern wir vom Museum um die große Wasserfläche herum, die allgemein "Hafen" genannt wird, obwohl nur der nördliche Uferteil als solcher genutzt wird. Der Rest dient zum Flanieren, Segeln, Schauen, Schlemmen und Entspannen. Viele Stufen und der breite Pier bieten Platz. Kneipen, Restaurants und Imbisswagen sorgen für die nötige Energiezufuhr.
Der dritte Gang führt vom Hafen zum Parlament. Oft faszinierend, für mich manchmal auch irritierend, wie historisch bewahrende und modernen Ansprüchen genügende Elemente nebeneinander stehen. Abgesehen von den z. B. durch Erdbeben und Brände verursachten Verlusten ist eine Hauptstadt eben kein Museumsdorf. Sitzt man in dem kleinen Park vor dem Parlament, hat man alles im Blick: links ganz modern Bankenviertel und Parlamentsverwaltung, mittig das im neoklassischen Edwardian-Stil gestaltete Parlamentsgebäude (in den 1980ern auf Erdbeben dämpfende Gummipuffer gestellt), rechts die Parlamentsbibliothek im viktorianisch gotischen Stil (dito). Noch weiter rechts ist zwischen den Bäumen die neue St. Paul's Cathedral (erbaut 1955 bis 1998) in Stahlbeton-Bauweise zu erkennen.
St. Paul's ist die Kathedrale der Anglikaner. Das Aussehen erinnert ein wenig an einen Hochbunker und ist der Tatsache geschuldet, dass die Kirche ziemlich genau über zwei sich gegeneinander schiebenden tektonischen Platten steht. Allerdings ist auch der Innenraum geradezu kahl, möglicherweise traut man den Widerstandskräften des Stahlbetons doch nicht so richtig? Oder liegt es an der religiösen Ausrichtung?
Das kann nicht sein, das wird klar, sobald wir den Vorgängerbau betreten. 1855 erschüttert das schwere Wairarapa-Erdbeben den Boden unter der Stadt. Im gleichen Jahr beginnt man mit dem Bau einer Kathedralkirche, heute Old St. Paul's genannt. Die neugotische Fassade und der Innenraum werden so in Holzbauweise ausgeführt, dass sie weiteren Erdstößen standhalten sollten. Das hat geklappt. Trotzdem ist die Kirche ihrer Zerstörung nur um Haaresbreite entkommen, weil sie 1964 nach dem Umzug in die neue Kathedrale abgerissen werden sollte. Das hat zum Glück nicht geklappt, denn der schmucke Innenraum ist der perfekte Hintergrund für Trauungen und Taufen.
Auf die Treppen ins Innere von St Mary of the Angels stoßen zufällig wir auf dem Weg zu den uns empfohlenen Einkaufsstraßen. 1922 auf den Resten zweier Vorgängerkirchen im neugotischen Stil errichtet. Taufbecken und Ewiges Licht verweisen ebenso auf römisch-katholische Nutzung wie zahlreiche Heilige in Figur und Bild. Ausgerechnet Johanna von Orleans haben die Europäer mit in die neue Heimat genommen und außerdem das Vertrauen in die Handwerkskunst der alten. Die Glasfenster stammen von Franz Xaver Zettler, der war Ende des 19. Jahrhunderts Hofglasmaler in München und spezialisiert auf religiöse Motive.
Blick über die Stadt gefällig? Ohne Schweiß soll es mit der Cable Car gehen. Die überwindet auf 610 Metern 120 Höhenmeter. Wir versuchen mit digitaler Hilfe unseren Standort dem angeblichen Startpunkt anzunähern, vergeblich. Mein Fehler, ich habe die Hanglage und damit die Tatsache unterschätzt, dass auf dem Stadtplan freistehend erscheinende Gebäude nicht immer von allen Seiten zugänglich sind. Immerhin finden wir mit menschlicher Hilfe den ersten Zwischenhalt. Bahn kommt, Bahn hält, Fahrerin will Geld, bevor sie die Türen öffnet, kann aber nicht wechseln. Wir würden ihr erst mal einen größeren Schein anvertrauen, aber das will sie auch nicht. Schließlich siegt der drängende Wunsch nach Fahrplan-Pünktlichkeit, sie lässt uns erst mal rein. Bis oben haben wir den Schein bei einem Mitreisenden in mehrere minderwertigere getauscht. Höhe erklommen, Fahrt bezahlt, Fahrplan eingehalten, allgemeine Zufriedenheit.
Mit der Aussicht ist es nicht weit her, die Bebauung und Bäume behindern den Blick auf die Stadt, Höhenzüge verstellen den Rest, nur in die Ferne blickt man weit. Das nette Bistro (Cable Top Eatery) neben der Bergstation serviert uns Ingwerbier, Kaffee und Fritten, der Rest auf der Karte ist nicht mehr verfügbar. Denn um 15:30 werden gnadenlos alle Türen verschlossen, um den Feierabend um 16:00 Uhr nicht zu gefährden. Da nutzt es weder, traurig bittend von außen ins Innere zu schauen noch wütend an der Tür zu rütteln. Und durchaus leckere Fritten zu verzehren, während die Ausgeschlossenen durch die Scheiben auf unsere Teller starren, ist auch kein reines Vergnügen.
Neben dem Bahnhof gibt es ein kleines Cable Car Museum, es ist nicht weit zum Botanischen Garten und ein Shuttle fährt das Naturschutzgebiet Zealandia an.
Der Freundin Frage nach einer Mall, um vor der Überfahrt noch dies und das zu erstehen, beantwortet die freundliche Dame an der Rezeption mit Kopfschütteln. Die gibt es hier nicht. Die großen Einkaufszentren liegen außerhalb der City. Sie empfiehlt die Cuba Street, auch laut Internet eine angesagte und stylische Einkaufsstraße. Aber selbst das erklärende Straßenschild bezeichnet dies als Vergangenheit. Es gibt noch ein Stück Fußgängerzone und ein paar Geschäfte auf Straßenniveau. Dazwischen zeugen Bretterver-schläge oder blinde Fenster in den oberen Stockwerken von Abwanderung. Auch die vielen Telefonläden sind ein sicheres Zeichen für Niedergang.
Nachfrage am Info Point: Von uns gesuchte Geschäfte sind eher am Lambton Quai zu finden. Das ist eine Durchgangsstraße mit breiten Bürgersteigen. Modeboutiquen, Restaurants, aber auf den ersten Blick wenig für den täglichen Bedarf. In der Press Hall finden wir einen Food Court mit interessantem Angebot - erst mal stärken. Zufällig entdecken wir neben dem unteren Ausgang unseres Hotels den ehedem gesuchten Haupteingangstunnel zur Cable Car und dort im Fujitsu Tower einen Countdown-Lebensmittelladen: Obst und Überlebensration. Wieder auf dem Quai ist hinter einem unscheinbarem Eingang das Chemist Warehouse, eine total verwinkelte Riesendrogerie samt Apotheke: Hygiene für die nächsten Wochen gesichert. Weiter geht's zu Farmers, einem Kaufhaus (Socken), und Whitcoulls, einer Buchhandlung über zwei Etagen mit einer kleinen Maori-Abteilung. Erstaunlich, wie viele Bücher zur Maori-Kultur von Nicht-Maoris geschrieben wurden. Teilweise reicht schon der Klappentext, um die Lektüre zu verweigern (ein ansprechendes Buch und drei Postkarten).
Der Quai heißt übrigens noch so, obwohl er heute gut 200 Meter von der Wasserlinie entfernt ist. Für die Anhebung und die Verschiebung ins Landesinnere sorgten das besagte Wairarapa-Erdbeben (1855) und einige kleinere, spätere Beben.
Zum Abendessen wollen wir zu Ernesto's (Cuba & NZ) in der dem Hotel gegenüberliegenden Grey Street, aber der kann nur einen Platz auf eleganten hohen Stühlen (ohne Fußstütze!) anbieten, die wir altersge-mäß für modern, aber unbequem halten. Wir ergattern eine Tischnische im Two Grey (geschlossen bis Mitte 25) schräg gegenüber und werden so Zeuge, wie ein Rettungswagen vor dem Ernesto's hält, und zwei Sanis einen schwankenden Koch herausführen, mühsam einladen und unter Sirenengeheul davon-brausen. Ich sorge mich um die Gesundheit der Gäste: "Was mag in der Küche passiert sein?" Die Freundin ist pragmatisch: "Die haben bestimmt noch mehr Köche." Beim Bestellen sind wir uns einig: Bohnen-Avocado-Lachssalat, dazu Wein. Danach Büffelyoghurt-Panna Cotta und Kaffee. Zurück zum Hotel, Wecker auf 5:00 Uhr