Heute ist der historisch gespickte Weg das Ziel und der Zielort zufällig das Ende des Weges. New Plymouth ist Hauptort der Taranaki-Region. Wikipedia nennt als Sehenswürdigkeiten den Botanischen Garten, die Govett Brewster Kunstgalerie und einen sehenswerten Uhrenturm, Clock Tower genannt. Nicht zu vergessen eine 48 Meter hohe Glasfaserstange (The Wind Wand - kinetische Kunst). Das haben wir alles verpasst.
"Schwierige Wegstrecke, vorher unbedingt tanken." Unser letzter Gastgeber, obschon Typ Crocodile Dundee, ist von der Routenplanung nicht begeistert. Aber etwas Abenteuer muss sein. Vollgetankt geht es auf dem Highway 43 durch die "vergessene Welt". Ja, es ist teilweise schmal und kurvig. Ja, 14 Kilometer sind nicht asphaltiert, aber so sorgfältig geschottert, dass das angegebene Tempo 70 gut zu halten ist. Ja, es fahren nur wenige Autos. Insgesamt lange nicht so schwierig wie angenommen ist die Strecke auch lange nicht so interessant wie angegeben. Der Tourismusverband gibt sich Mühe: Parkplatz und buntbemaltes Toilettenhäuschen verlocken zum Halt neben Joshua Morgan's Grave. Der 35-jährige Vermessungsingenieur starb 1893 während der Trassenlegung des jetzigen Highways allein am Ufer des Tāngarākau an Bauchfellentzündung, während seine zwei Mitarbeiter versuchten, einen 50 Kilometer entfernt wohnenden Arzt zu erreichen, der nach damaligem medizinischen Stand wohl auch nicht hätte helfen können. Außerdem im Verlauf der Route: ein Tunnel, eine Bootsanlegestelle, mehrere Pässe. Ansonsten Wald, Weide, Wiese, sanfte Hügel, zackige Höhen.
Ungefähr nach der Hälfte des Weges kommen wir nach Whangamomona. Die Ministadt im Westernstil gelangte 1989 zu Berühmtheit, als sie aus Protest gegen eine Verwaltungsreform, nach der sie je zur Hälfte zwei unterschiedlichen Verwaltungsregionen zugeordnet wurde, ihre Unabhängigkeit ausrief und sich zur Republik erklärte. Seitdem feiert man alle zwei Jahre diesen mutigen, verwaltungstechnisch jedoch folgenlosen Schritt mit einem Volksfest. Vor dem Whangamomona Hotel stehen, einem auch schon an anderen Geschäften gesehenen Gebotsschild gehorchend, zwei verschlammte Stiefel. Unsere Schuhe sind sauber, wir dürfen eintreten. Drinnen gibt es holzgetäfelte Wände, dicke Deckenbalken, guten Kaffee und leckere Scones, viele Fotos, allerlei landwirtschaftliche Werkzeuge, Erinnerungen an den Straßenbau, abends warmes Essen in geheizter Stube und zur Not auch Zimmer. Wir überlegen, aber es ist noch zu früh.
Mitte des 19. Jahrhunderts kauften europäische Einwanderer zunächst das begehrte Land von den Maoris. Als die Wünsche überhand nahmen und die Besitzer sich weigerten, weiteres Gebiet zu verkaufen, kam es zum Krieg und zu gewaltsamer Landnahme.
Der Friedhof rund um die Kathedrale von New Plymouth ist ein wunderschöner Ort. Die Grabinschriften zeugen aber von unruhigen Zeiten und der unterschiedlichen Sichtweise auf die einheimischen Gegner. Von Kriegshandlungen ("fell in the Maori trouble", "killed at the Attack") bis zum unberechtigten Terrorakt ("murdered by Rebel Maoris") reicht die Deutung der Sieger. Mit einem Stein neueren Datums erinnert ein Vater (Soldat) an seinen toten Sohn (Soldat, Falklands), einen toten Freund (Soldat, Afghanistan) und all die anderen toten Soldaten der Luftwaffe - selbstverständlich nur der eigenen.
PS "Gefallen" ist so ein verräterischer Euphemismus!
Die architektonisch imposante Brücke über den Waiwhakaiho River führt vom Parkplatz auf der Stadtseite zu einem gut ausgebauten Küstenwanderweg längs der Tasmanischen See, auf die wir hier einen ersten Blick werfen können. Sie ist, im Gegensatz zu ihrem blauen Gegenstück auf der anderen Inselseite, graugrün. Die Brücke mit dem walrippenförmigen Trägergerüst und dem Blick auf den Mount Taranaki ist wegen Bauarbeiten zwar begehbar, aber durch Planen verhüllt. Dankenswerterweise hat die Stadt eine großformatige Fotografie aufgestellt - mit der Aufforderung zum Selfie.
Der eigentlich sehr fotogen positionierte Mount Taranaki fällt hier ebenfalls der Verhüllung zum Opfer. Versuche, ihn während der Weiterfahrt vors Objektiv zu bekommen, gestalten sich schwierig. Mal ist er nicht zu sehen, mal wolkenverhüllt. Wenn alles stimmt, gibt es keine Haltebucht. Erst am Nachmittag, von der anderen Seite und von einer eigens angesteuerten Nebenstraße aus präsentiert er sich in seiner ganzen Pracht.
Vom HW 45 geht es ins Landesinnere und dann auf einer "Scenic Route" nach Pukeiti. Viel Sicht auf den berühmten Vulkan hat man nicht, denn die Straße schlängelt sich kurvenreich durch schmale, dicht bewachsene Täler. Die vielen Brücken sind einspurig, zum Teil nicht einsehbar und mit wechselnder Vorfahrt. Dafür ist wenig Gegenverkehr.
Angekündigt ist ein Rhododendrengarten, aber selbst der Begriff "Park" wird dem riesigen Gelände nicht gerecht. Unser "short trail" dauert 2,5 Stunden und durchläuft ungefähr ein Viertel der Anlage. Zu sehen gibt es Rhododendren aller Art und in verschiedenen Blühstadien, aber auch andere Sträucher und Bäume, dazu Themengärten und Ruheplätze. Weil das Ganze sehr an die Gärten in Südengland erinnert, liegt die Vermutung nahe, dass hier ursprünglich ein Stück Heimat angelegt wurde. Heute sind die meisten Besucher Asiaten. Globalisierung.
Nach einem gehaltvollen Kakao geht es über die Dover Road (!) mit dem erwähnten Berg-Fotostopp zurück zur 45.